Ralph Eberhard Brachthäuser: Vor 100 Jahren: Erinnerungswoche – Belgierabzug – Hindenburgreise Vortrag mit Diskussion
Die Besetzung des Ruhrgebiets durch französisches und belgisches Militär von 1923 bis 1925 – auch Ruhrkrieg genannt – gehörte lange zu den wenig beachteten Epochen der Gladbecker Geschichte. Insbesondere drei denkwürdige Ereignisse im Sommer und im Herbst des Jahres 1925 sind dabei der Aufmerksamkeit der Chronisten entgangen. Trotz der auch wirtschaftlich schwierigen Zeiten wollte Oberbürgermeister Michael Jovy ein für Gladbeck wichtiges Jubiläum nicht unbeachtet lassen: Die Erhebung zu einem selbständigen Amt am 1. April 1885 – vor damals vierzig Jahren. Daher wurde im Juli 1925 eine „Erinnerungswoche“ veranstaltet, die sich hauptsächlich im Bereich des Wittringer Waldes abspielte, der zukünftigen „Volkserholungsstätte“. Zwei der Höhepunkte waren das Richtfest auf Haus Wittringen als dem zukünftigen Museum der Stadt sowie die Einweihung des Polizeiamtes. Im Schatten dieser Festwoche vollzog sich an einem frühen Samstagmorgen, beinahe unbemerkt von der Öffentlichkeit, der Abzug der letzten belgischen Besatzungstruppen – immerhin noch eintausend Mann stark. Zwei Jahre zuvor hatten noch über 4.000 der fremden Soldaten gemeinsam mit ihren Offizieren und hunderten Laienkräften das Leben in Gladbeck beherrscht – zeitweilig mit Kriegsrecht und Belagerungszustand.
Zwei Monate später erhielt das Ruhrgebiet höchsten Besuch: Reichspräsident Paul von Hindenburg war drei Tage in der Industrieregion unterwegs, um den Menschen im Namen der Reichsregierung Dank zu sagen für ihren Durchhaltewillen während der Besatzungszeit. Diese bereiteten ihm allerorten einen begeisterten Empfang, und die Zeitungen überschlugen sich teilweise in der Berichterstattung. Obwohl der hohe Gast zeitweilig vom Reichskanzler und dem halben Reichskabinett begleitet wurde, hat dieses auch politisch eminent wichtige Ereignis selbst in den allermeisten Hindenburg-Biographien keine Beachtung gefunden. Der Vortrag schildert auf der Basis zahlreicher, bis dato häufig ungenutzter Quellen in Wort und Bild diese spannenden Monate des Jahres 1925, mit denen auch im Ruhrgebiet die „Goldenen Zwanziger Jahre“ begannen.
Ralph Eberhard Brachthäuser, geb. 1962, Studium der Philosophie und katholischen Theologie mit Schwerpunkt Kirchengeschichte an der Ruhr-Universität Bochum und der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, 1990 Priesterweihe, verschiedene Kaplansstellen, dabei auch Lehrtätigkeit an einem Gymnasium, 1998 bis 2010 letzter Pfarrer von Heilig Kreuz in Gladbeck-Butendorf. Gründer der Pfarrer Brachthäuser-Stiftung und Leiter des Stiftshauses Gladbeck. Zahlreiche Veröffentlichungen auch zur Gladbecker Geschichte, unter anderem Mit Leidenschaft für unsere Stadt. Die Frauen und Männer des ersten Gladbecker Stadtrates (2019), Roter Terror – Gladbeck in der Märzkrise 1920 (2020), Chronik der Firma A. Küster (2021) und Der Ruhrkrieg in Gladbeck 1923–1925 (2 Bände 2024/25).
Die VHS führt diese Veranstaltung in Kooperation mit dem Verein für Orts- und Heimatkunde durch.